Der Widerspruch ist evident. Einerseits war die Stimmung gut auf der Polis-Convention vergangene Woche in Düsseldorf. Endlich mal wieder einander live treffen. Die Stände waren opulent ausgestattet und gut besucht. Andererseits ist ja nicht alles rosig in Sachen urbaner Ökonomie. Corona und der digitale Kahlschlag im Einzelhandel hinterlassen immer deutlichere Spuren. Und so war denn auch die Tonalität eher auf Wundenlecken und Krisenmanagement ausgelegt.
Das Gute aber natürlich, Sie werden die Binse kennen: Krisen bringen immer auch Chancen mit sich. Zum Beispiel für eine stärkere Temporalisierung und Flexibilisierung innerstädtischen Raums. Darauf wies zum Beispiel Michael Ehret hin, Projektentwickler mit Sitz in Starnberg (Ehret + Klein):
„Wir brauchen resiliente Flächen. Es wird künftig kurzfristigere Mietverhältnisse geben. Die Zukunft gehört auch den Popup-Stores. Hier ist wichtig, dass man die vor- und hinterher nicht umständlich umbauen muss.“
Eine neue konzeptionelle Robustheit in der städtischen Architektur ist also gefordert – und ja auch reizvoll.
Dennoch mag diese aber mit manch anderen Vorstellungen davon kollidieren, was Städte attraktiv macht. Das Projekt Stadt wird vielschichtiger und kontroverser. Planung und Entwicklung unserer Innenstädte wird künftig komplizierter werden. Die Zukunft der Zentren ist kein Selbstläufer mehr.
„Und es braucht deshalb auch andere und intensivere Kommunikationsstrukturen.“
Darauf wies
Christiane Marks hin, Geschäftsführerin der Projekt- und Kulturberatung
Imorde. Sie verwies in diesem Kontext auf ihr eigenes
„Netzwerk Innenstadt NRW“ lobte aber auch das Netzwerk
Stadtretter, das nebenan mit einem Stand präsent war.
Doch alle Kommunikation nützt wenig, wenn sich die Eigentümer zentraler Immobilien quer stellen und zum Beispiel aus Spekulationsgründen Ladenflächen leer stehen lassen. Gerade anonyme Fondsgesellschaften sind hier oft gnadenlos und handeln ohne großes Interesse an der urbanen Kultur, so Andree Haack von der Stadt Duisburg. „Hier muss von den Inhabern mehr kommen.“
Haack setzt in diesem Zusammenhang auch auf den Gesetzgeber.
„Wir brauchen, analog zum Wohnraum-Stärkungsgesetz hier in NRW, ein City-Stärkungsgesetz“.
Dessen Essenz: Wer Leerstand herbeiführt, etwa aus Spekulationsmotiven, der zahlt. In Holland gebe es dergleichen schon.
Ob der regulatorische Hammer tatsächlich den einzigen Weg zu vitalen Innenstädten liefert, sei hier dahingestellt. Fest steht aber, dass wir alte, gelernte Grenzen überwinden müssen. Dass das geht, machte der Politiker Jan Heinisch vor. Der Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Bauministerium zeigte sich popkulturell überraschen bewandert, als er textsicher die (für das Panel titelgebende) Großstadt-Lyrik des Rappers Sido zitierte.
„Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend, meine Straße, mein Zuhause, mein Block“, heißt es bei Sido.
Genau darum gehe es heute, so Heinisch. Man müsse den Städten, Straßen und Blöcken den Stempel der eigenen Zeit aufdrücken, aber auch Raum für Veränderung lassen. Städte brauchen Flexibilität und Nutzungsoffenheit. Und sie brauchen Stadtplaner und Architekten, die die spätere Transformation ihrer Entwürfe von vornherein mitdenken. Eine unbequeme Erkenntnis für die nach eigenem Verständnis für die Ewigkeit planenden Zünfte. guz