Ja, es ist schön, wieder in Venedig zu sein. Gerade beginnt die durch Corona verschobene Kunstbiennale in der Lagunenstadt. Und die Kunstwelt ist wieder da. Sie feiert, sie genießt das Sehen und Gesehen werden – fast wie vorher. In den Bars herrscht auch keine Maskenpflicht mehr. „Masken tragen nur noch die Deutschen“, sagt ein Kellner, während er den venedigtypischen Spritz am Fließband zusammenmixt.
Atmosphärisch also wirkt die diesjährige Schau wie ein kunsturbaner Befreiungsschlag. Inhaltlich kommt manches, was Kuratorin Cecilia Alemani da ins Arsenale geholt hat, ein wenig aus der Zeit gefallen daher. Es geht häufig um erweiterte, auch um verzauberte Körper. Das macht Spaß und inspiriert. Nur der den menschlichen Körper auf ganz andere, quasi steinzeitmäßige Weise bedrohende Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine kommt in der Schau kaum vor.
Das nimmt ihr etwas ihre politische Dringlichkeit, macht sie aber nicht naiv. Viele der Kunstwerke vermitteln eine unheimliche, eine ambivalente Aura. Sandra Mujingas menschenähnliche Skulpturen, in fieses Grün getaucht, haben definitiv etwas Gruseliges. Sehen wir hier das Ende des rein Menschlichen angesichts der digitalen Herausforderung humaner Identität? Oder die Gefährdung des Körpers durch Corona?
Fragen wie diese kommen einem auch bei den eigentlich lustigen Großskulpturen des Argentiniers Gabriel Chaile. In seinen Tonwerken verschmelzen Objekte (riesige Töße, Kannen oder Öfen) mit menschlichen Visagen. Als würde die Objektwelt den humanen Körper einsaugen oder aufessen. Vielleicht meinen wir derlei, wenn wir vom „Internet of Things“ sprechen.
In vielen Länderpavillons in den Giardini wird Alemanis Verzauberungskonzept fortgeführt. Im Belgischen Pavillon erforscht Francis Alys die weltweite Kultur der Kinderspiele. Im sehenswerten Französischen Pavillon wird postkolonial angereichert getanzt. Diese Biennale ist sinnlich und – ja – schön. Nur der Deutsche Pavillon gibt sich mal wieder karg. Maria Eichhorn macht, wie schon manche ihrer Vorgänger, die problematische Geschichte des Baus selber zum Thema, indem sie seine Fundamente und unterschiedliche historische Schichten freilegt.
Das größte Happening aber ist zunehmend die Stadt Venedig selber. Kunst ist dort überall. Eines der originellsten Projekte war der „Gazzettino“ des Berliner Kurators Lukas Feireiss. Er hat einen ikonischen Zeitungskiosk übernommen und zum Ausstellungsort für unabhängige Kunstverlage umfunktioniert. Einen Nachmittag lang präsentierten die sich in kleinen Pitches dem kunstfreudigen Publikum. Das wirkte lässig, auf sympathische Weise improvisiert – und damit richtig urban. guz