Die mit Abstand größte Veranstaltung (sofern man unter den gegenwärtigen Bedingungen überhaupt davon reden kann) der Bundesregierung in dieser Woche war die große
Bilanz der Wohnraumoffensive. Im September 2018 hatte es den Wohngipfel bei Bundeskanzlerin Angela Merkel gegeben, zusammen mit dem halben Bundeskabinett, mit Landesministern, Fachleuten, Verbänden und Vertretern von Städten und Gemeinden. Es folgten viele einzelne Gesetzesvorhaben, die Einrichtung der Baulandkommission und einer
Website extra zum Thema. Wir wollen hier nicht jeden der einzelnen Punkte bewerten. Denn das hat die Bundesregierung schon selbst getan und eine Checkliste vorgelegt, in der sie alle Dinge, die umgesetzt worden sind, mit grünen Häkchen versehen hat.
Angela Merkel verkündete hinterher laut: „Die Bilanz kann sich aus meiner Sicht wirklich sehen lassen.“ Hier musste wohl der PR-Holzhammer ran, ansonsten wäre der Tätigkeitsnachweis des amtierenden
Bundesbauministers Horst Seehofer für viele Bürger möglicherweise schwer erkennbar gewesen. Die Seehofer-Bau-Checkliste
gibt es auch zum Download.
Einige Stichpunkte daraus:
- Wohngeld wurde erhöht und dynamisiert
- Mehr Geld vom Bund an die Länder für neue Sozialwohnungen
- Sonderabschreibung 4 Prozent für Mietwohnungsbau
- Baukindergeld
- CO2-Bepreisung von Wärme und Energie (ja, das steht mit grünem Haken in der Wohnraum-Liste)
- Städtebauförderung wird fortgesetzt
- Mietpreisbremse verlängert und leicht nachgebessert
- Verbilligte Abgabe von Bima-Grundstücken
- Grundsteuerreform (auch hier bleibt Seehofers Geheimnis, was das mit Wohnraumoffensive zu tun hat).
Das wichtigste Vorhaben, eine
Novellierung des Baugesetzbuches, das den Kommunen mehr Möglichkeiten für das Bau- und Grundstücksmanagement vor Ort ermöglichen soll, ist indes noch nicht fertig. Im Gegenteil, die Koalitionspartner streiten seit Monaten so heftig darüber,
dass man fast schon ein Scheitern befürchten muss. In der Novelle sind einige der Vorschläge der Baulandkommission eingearbeitet. Mehr darüber berichten wir, wenn dieses für die Städte und für die urbane Zukunft wichtige Gesetz verabschiedet ist.
Mit dieser offenen Frage im Rücken und mit einem Blick auf die obige Liste kann man zumindest festhalten: Der Bund hat mangels juristischer oder vielleicht auch inhaltlicher Kompetenz (Bauministerium?) kaum Möglichkeiten, das Wachstum unserer urbanen Zentren, dieser zentralen Zukunftsorte, zu gestalten. Der Wohnungsbau ist Länder-Kompetenz, ist dort aber nicht das zentrale Thema. Schließlich schlagen sich die Landesregierungen auch mit Gebieten mit Bevölkerungsrückgang und Leerstand herum. Daraus können wir schließen: Die tatsächliche Kompetenz liegt bei den Städten. Dort sollte sie auch juristisch und administrativ viel stärker verankert werden.
Bei der Schunkel-Bilanz der Bundesregierung durfte auch Ralph Spiegler kurz etwas sagen, Vorsitzender der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände und Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes:
„Der Flaschenhals für die Schaffung bezahlbarer Wohnungen bleibt die Baulandmobilisierung. Hier müssen die Kommunen stärkere Steuerungsmöglichkeiten erhalten, etwa durch erweiterte Vorkaufsrechte.”
Stärkere Steuerungsmöglichkeiten forderte auch der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) mit Blick auf ein in seiner Stadt drängendes Thema, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.
“So schnell kann man gar nicht neue Mietwohnungen bauen, wie auf der anderen Seite Mietwohnungen verschwinden.”
Das mit der Umwandlung ist nicht nur in Berlin ein Thema, der Deutsche Städtetag fordert ebenfalls mehr Möglichkeiten, die wirtschaftliche Verwertung von Wohnraum mitzusteuern. Längst schließen sich die Städte bei Themen wie diesen zusammen. Ein Bündnis von EU-Städten
fordert von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager strengere Kontrollmöglichkeiten für Ferienwohnungsplattformen wie Airbnb.
Den Städten mehr Zugriff auf den Bauland- und Wohnungsmarkt vor Ort zu ermöglichen, erscheint pragmatisch. Idealerweise könnten Bürgermeister wachsender Städte sogar die Möglichkeit haben, Entscheidungen etwa über den Ausbau von Infrastruktur in Umlandgemeinden mit zu fällen. Nur so können sie das Wachstum über die formalen – meist zu engen – Grenzen ihrer Metropolen hinaus gestalten. Und warum sollten sie nicht Bauformen, Nachhaltigkeitsregeln und Energieversorgung selbst regulieren können?
Alle Macht den Bürgermeistern? “Spiegel Online” berichtete im vergangenen Sommer über das “Globale Parlament der Bürgermeister” und
interviewte den Mitgründer Peter Kurz, Oberbürgermeister von Mannheim. Und der verstorbene US-Politologe Benjamin Barber veröffentlichte bereits vor sechs Jahren das Buch „
If Mayors Ruled the World“. (
hier ein Interview mit ihm bei kommunal.de) Die Thesen könnten ein Leitbild für die nächste deutsche Bundesregierung sein. Es wäre schmerzhaft, denn Macht geben Politiker nicht gerne ab.