Wenn von Themen wie „Gerechtigkeit“ die Rede ist, beschleicht einen mitunter ein leichtes Müdigkeitsgefühl. Zu schwammig die Kategorie, zu schnell sind Klischees und gedankliche Binsen bei der Hand. Speziell die Immobilienbranche kommt dann oft so pauschal schlecht weg, dass sich aus den einschlägigen Diskussionen kaum noch Lernenswertes ziehen lässt. Auch ein noch so lernbereiter Immobilienmanager hört dann irgendwann einfach nicht mehr zu.
Doch es geht auch anders. Die Wissenschaftlerin Tom Griffin zum Beispiel unterhält an der Harvard University das spannende
„Just Cities Lab“. Griffin forscht zu Wegen, wie sich Ideen von Inklusion und, ja, Gerechtigkeit zu Modellen funktionierender Projektplanung weiterentwickeln lassen. Ihre Annahme: Eine Projektentwicklung, die sich auch an Kriterien des sozialen Funktionierens von Stadtvierteln orientiert, wird so auch zu einer erfolgreicheren.
Und die Branche zieht nach. Zunehmend scheinen sich Projektentwickler der sozialen Effekte ihrer Projekte bewusst zu werden – und diese in ihre Planungen mit einzubeziehen. Ein gutes Beispiel ist eine
Entwicklung, die die belgische Firma Revive momentan im Brüsseler Problemviertel Molenbeek realisiert. Der Wohnturm „EKLA“ ergänzt die Wohneinheiten mit verschiedenen Schulen, einer Kinderbetreuung und einem Park.
Auch mit einem lokalen Underground-Künstler wurde kooperiert. Entwickler und Architekten (
B2Ai Architects) scheinen zumindest verstanden zu haben, dass großmaßstäbliche Projektentwicklung sich selbst als Intervention verstehen muss, die soziale Strukturen verändert – und die deshalb auf diese Veränderung Antworten finden muss.
Damit sind die Transformationen der Sozialstruktur eines Viertels angesprochen, die auftreten können, sobald ein Entwickler zuschlägt. Das Stichwort: Gentrifizierung. Hier hatte der südafrikanische Immobilienunternehmer Brian Green jüngst eine erfrischend ehrliche Perspektive parat. „Natürlich führt Immobilienentwicklung auch zu jenen Aufwertungen, die mit Gentrifizierung umschrieben werden“ sagte er auf einem Panel des Urban Land Institute zum Thema „Inclusive Urban Growth“.
„Und wissen Sie was: Gentrifizierung ist auch nichts Schlechtes – so lange sie nicht mit breiter Vertreibung der bestehenden Bewohner einher geht.“
Was das heißt, also wie man diese Vertreibung vermeiden kann, macht Green gerade mit einem Großprojekt im südafrikanischen Johannesburg vor.
„Victoria Yards“ ist der Umbau einer früheren Großwäscherei mit 30.000 Quadratmetern zu einem attraktiven Wohngebiet. Natürlich bedeutet ein solches Projekt in einem Problemviertel auch Aufwertung. Aber Green hat das begleitet mit diversen Initiativen, um die bestehenden Bewohner des Viertels zu Beteiligen zu machen und ihnen im Viertel neue Chancen zu bieten.
Damit das klappt, holte er sich Hilfe eines Wissenschaftlers als „urbanem Enabler“. Der wollte eigentlich nur Veränderungsprozesse in transformationsintensiven Vierteln studieren. Green gab ihm die Gelegenheit, das Ganze am lebenden Objekt auszuprobieren. So entstand ein Ernährungsprogramm für 11.000 Bewohner, eine örtliche Ausbildungsinitiative, sogar eine eigene lokale Ersatzwährung. Für Entwickler insgesamt liefern Case Studies wie diese die Erkenntnis, dass die Fähigkeit zur punktuellen Kooperation auch mit komplett firmenfremden Inputgebern zum Erfolgsfaktor großer Projekte werden kann.
Das Projekt Greens klingt sozial und sympathisch. Dieser Klang aber ist dem Projektentwickler, Chef von
Group 44 Properties, gar nicht so wichtig. „Das ist keine Charity“, sagt er. Am Ende geht es einfach darum, nachhaltige ökonomische Erfolgsaussichten für große urbane Interventionen zu schaffen. Das heißt: Entwickler wie Green müssen denken wie Lokalpolitiker. Und da sie keinen parteipolitischen Zwängen unterliegen, können sie das – theoretisch – mitunter sogar besser.
Aber die Fähigkeit zu dieser Art sozialpolitischer Denke muss man natürlich erstmal entwickeln. Sich das wirklich vorzunehmen, ist wiederum eine Managemententscheidung. guz