Konferenzen zu Architektur und Stadtentwicklung tendieren ja oft zum gepflegten „Man müsste mal“. Schon insofern hob sich das
„RISE City Lab“, das die BMW Foundation Herbert Quandt diese Woche in München veranstaltete, positiv ab von dem gerade wieder anlaufenden Reigen stadtbezogener Diskursevents. Denn die Veranstalter hatten etwas Konkretes zu präsentieren: das Projekt
„FreiraumViertel München“. Im Fokus dieser temporären Initiative zur Stadtverbesserung stand das südliche Bahnhofsviertel rund um die Landwehr-, Schiller- und Goethestraße. Dort, in der Ludwigsvorstadt, hat eine Gruppe urbaner Aktivisten mit Unterstützung der Quandt-Stiftung
Parkflächen zu Aktionsarenen für Musik und Theater umgestaltet – oder als Orte genutzt, an denen sich die Stadtteilgesellschaft niederlässt, an denen gelebt und sich ausgetauscht wird und auch mal Ideen zur Verkehrswende präsentiert werden. Das passt zum RISE-Konzept. Letzteres steht für „resilient“, „intelligent“, „sustainable“ und „equitable“.
Für Nichtmünchner sei erläutert: Die Gegend südlich des Hauptbahnhofes ist auf geradezu unmünchnerische Weise heterogen und ungemütlich. Drogen werden gehandelt, Sprachen werden viele gesprochen, Grünflächen sind hingegen Mangelware. Daher sind die Akzente, die die Initiative setzen konnte, sehr wichtig. Und sie wurden den Anwohnern auch mit offenen Armen empfangen.
“Die Akzeptanz war von Beginn an da. Aber natürlich gab es auch Konflikte”, räumt die Initiatorin Michaela Wiese ein.
Ein bespieltes Parklet mehr ist eben auch ein Parkplatz weniger. Und die velotechnische Verkehrswende ist in der Gegend definitiv noch nicht universell angekommen.
Angelegt war die Initiative FreiraumViertel bisher nur temporär. Sie lief Ende September aus. Doch über eine Verlängerung sprechen die Treiber bereits mit der Stadt. Sie konnten das auch auf der zweitägigen Konferenz im Münchner Mini-Pavillon tun. Denn Vertreter der Stadt München waren auch vor Ort und konnten sich die Erfahrungsberichte der Initiatoren anhören.
Die fielen logischerweise positiv aus. Doch klar wurde auch: Wer neue Flächen für die Aneignung der Menschen schafft, kreiert damit auch Räume für Nutzungen, die nicht dem Bilderbuch der sauberen Stadt entsprechen. So machten sich auch Drogensüchtige die Parklets zu eigen. Auch das gehört nun mal zur Stadt dazu.
Das bestätigte übrigens auch Klaus Hipp aus dem Vorstand der BMW-Stiftung.
“Projekte wie dieses können den Bürgern real etwas zurückgeben. Sie können aber auch durch urbane Interventionen unser Bild städtischer Normalität verändern.”
“Stadt” ist eben auch ein Projekt kollektiver Wahrnehmung. Stadt ist das, was wir für städtisch halten. Und städtische Lebenswertheit auch.
Hier setzte die Konferenz sinnhafte Akzente. Es wird spannend sein zu beobachten, welche Projekte das RISE-Programm auch jenseits der eigenen Haustür initiieren kann. Denn klar ist: Die größten Herausforderungen für die Metropolen von morgen liegen nicht in München, sondern eher in Bogota, Mexiko Stadt, Hanoi oder Lagos. guz