Aufgewachsen bin ich im äußersten Bayern, da ganz außen im Eck, das Deutschland im Südosten macht. Zwei Grenzen waren immer ganz nah: Die nach Österreich, dort fuhren wir hin zum Tanken und zum H&M nach Linz. Und dann die Grenze nach Tschechien, die in meinem Leben immer viel bedeutender war.
Erst 30 Minuten durch viel Wald, dann die letzten paar Kilometer zum Grenzübergang auf einer breiten, guten ausgebauten, teerschwarzen Straße. Dahinter das trashige Einkaufsparadies für Deutsche: Kilometerweit standen Frauen an den Straßen, die auf Männer mit Kennzeichen wie PA, FRG oder REG warteten und schnell den Arm senkten, wenn nicht nur ein Mann im Auto war. Daneben “die Standl”, Verschläge, in denen vor allem Vietnamesen allerhand Krusch an Deutsche verkauften. Pinkelnde Gartenzwerge in Lebensgröße, Badetücher mit dem Emblem des FC Bayerns, in das eine halbe F-Jugend-Mannschaft eingewickelt werden kann, Zigaretten, die “Moon” heißen. Und für mich am wichtigsten: Kopierte Videokassetten mit Kinofilmen in einer miserablen Qualität, ein paar Jahre später auch gebrannte DVDs und CDs mit farbkopierten Covern.
“In d'Tschechei fahren” hieß aber auch picknicken am Moldaustausee, spazieren im wunderschönen Krumau, Essen in Budweis und Ausflüge zum Eddi, dem Cousin meines Opas. Denn mein Großvater gehörte zu den Vertriebenen aus dem Böhmerwald, die ihr Leben nur wenige Kilometer von ihren Geburtsorten entfernt, westlich des Eisernen Vorhangs verbracht haben. Warum der Cousin Eddi in der Tschechei blieb? Bleiben konnte? Ich hab die Geschichte nie ganz verstanden. Wahrscheinlich weiß sie keiner mehr so genau.
Um die alten Vertriebenen und die jungen Grenzgänger - Menschen, die im deutsch-tschechischen Grenzgebiet leben - geht es in der Dokumentation “Im Dazwischen daheim”.