Hallo,
warum reagieren alte, weiße Männer häufig so emotional (gerne auch als Zynismus getarnt), wenn sie alte, weiße Männer genannt werden? Die Antwort: Weil sie es nicht gewohnt sind, von anderen mit einem Ektikett versehen zu werden. Denn die Geräte zur Auszeichnung hatten und haben sehr oft eben sie selbst in der Hand. Ein Schild klebt stattdessen an: den Frauen, den Ausländern, den Schwulen, den Muslima, den Anderen, all den Abweichnungen von der Norm. Und die Norm sind nun mal sie: die alten, weißen Männer.
Kübra Gümüşay erklärt dieses Phänomen ganz ausgezeichnet im Podcast Plan B im Gespräch mit
Michael Seemann. Sie nennt das “die Benannten und die Unbenannten”.
Wer ein Etikett hat und stets mit seinen Handlungen nicht nur für sich selbst einstehen muss, sondern für eine ganze Gruppe an Menschen mit einer ähnlichen, benannten Eigenschaft, fühlt sich natürlich unbehaglich, sei es nun eine mittelalte, lesbische Frau oder ein alter, weißer Mann. Repräsentanz des Kollektivs nennt Gümüşay das im Podcast: Will ich, muss ich die Pressesprecherin meiner Gruppe sein? Gümüşay als eine der (viel zu wenigen) bekannten Frauen mit Kopftuch in gesellschaftlichen Diskussionen hat für sich die Frage mittlerweile mit “Nein” beantwortet: “Mir wurde bewusst: Ich bin Teil eines destruktiven Systems.”
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“Sprache und Sein”. Sehr gut investierte 90 Minuten, aber auch nach 10, 20 oder 30 ist man schon schlauer. Bald erscheint Gümüşays Buch dazu. Ich glaube, wir sollten es lesen, vor allem, wenn auf unserem Etikett auch “weiß” steht.