URAYASU. Moin, moin, kaum sind die Spiele (fast) um, klappt es auch mit dem morgendlichen Newsletter. Monothematisch, einige Hintergründe zu einem der Aufreger aus deutscher Sicht: dem Modernen Fünfkampf, wo die Berlinerin Annika Schleu eine traumatische olympische Erfahrung machen musste, wie Sie alle längst wissen: Sie lag auf Gold-Kurs, dann verweigerte das ihr zugeloste Pferd die Arbeit. Rang 31 - von 36 - statt einer Medaille. So eine Situation möchte niemand erleben.
Da brechen Welten zusammen. Ähnlich erging es der Peking-Olympiasiegerin Lena Schöneborn 2016 in Rio de Janeiro.
Die bewegten bewegenden und erbittert diskutierten Bilder dazu finden Sie auf den Webseiten der TV-Rechteinhaber, auch die Interviews und die Tränen. Auf den Social-Media-Kanälen Ihrer Wahl finden Sie ebenfalls viel dazu - nebst allen Diskussionen über Tierquälerei u.a.m.
Klaus Schormann (75) aber sagt, es sei alles genial und super gewesen.
Schormann ist Jahrhunderten Präsident der
Union Internationale de Pentathlon Modern (
UIPM), war sogar schon Präsident dieses Verbandes, als dieser gemeinsam mit Biathlon eine Föderation bildete - wer weiß das heute schon noch, deshalb gibt es diesen Newsletter und das Magazin
SPORT & POLITICS für olympische Bildung. Als Schormann antrat, im vergangenen Jahrtausend, hieß der Weltverband
Union Internationale de Pentathlon Moderne et Biathlon (
UIPMB). Der liebe Klaus, ich sage das ohne jede Häme, hat eine neue Zeitrechnung für Biathlon begründet, wie er gern und mit wunderbaren Episoden gespickt erzählt, und er hat den Modernen Fünfkampf nicht nur einmal vor dem Olympia-Aus gerettet:
1996, als IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch bereits das Aus angekündigt hatte, sich aber dann auf dem ANOC-Kongress in Cancún revidierte; 2002, als IOC-Präsident Jacques Rogge auf der Session in Mexiko City den Fünfkampf streichen lassen wollte; 2005, als Fünfkampf auf der Session in Singapur wieder auf der Streichliste stand - und auch sonst eigentlich ständig. Ein Resultat dieses Kampfes war, dass sich Schormanns Traum nie erfüllte, ex officio in seiner Eigenschaft als UIPM-Supremo IOC-Mitglied zu werden. Rogge konnte das natürlich nicht zulassen, hatte ihm Schormann im Verbund mit anderen Funktionären aus umstrittenen Sportarten doch damals gewaltige politische Niederlagen bereitet. Gleichzeitig aber bat Schormann auf seinen Audienzen, etwa 2007 in Guatemala und anderswo, um eine IOC-Mitgliedschaft.
Ich werde nie jenen Abend im Juni 2008 vergessen, als Schormann auf der Dachterasse des Hilton Athens ähnlich emotional reagierte, wie gestern Annika Schleu. Er weinte. Und ja, er nahm auch ein paar Schlückchen, denn gerade hatte das IOC die Liste der neuen IOC-Mitglieder vorgelegt, die kurz darauf in Peking bei der Session aufgenommen werden sollten. Schormann war wieder nicht dabei, stattdessen der Türke Uğur Erdener, der gerade erst als Präsident des Weltverbandes der Bogenschützen (heute World Archery/WA) angetreten war - und dessen persönlicher Mitarbeiter mir auf der Dachterasse erzählte: “Stell Dir vor, wir hatten damit gar nicht gerechnet. Wir beginnen ja gerade mit der Arbeit und wollten die IOC-Mitgliedschaft in ein paar Jahren ins Auge fassen.”
Armer Klaus Schormann. Er ist ein Filou, er ist hart im Nehmen, ein Stehaufmännchen, das eine neue Sportart erfunden hat - der zweite Erfinder des Modernen Fünfkampfes nach Pierre de Coubertin, aus dessen Werken Schormann im Original zitieren kann. Die teure Mehrtages-Veranstaltung wurde gewaltig entschlackt und zu einem Event umgemodelt. Es gibt neue Disziplinen - im Grunde alles neu, außer …
... das Problem mit den Pferden ist geblieben.
Das hat die Welt gestern gesehen und sich gewundert. So steht Modern Pentathlon wieder auf der Kippe, machen wir uns nichts vor, das ist so.
Zum Problem mit den Pferden gab es vor einigen Tagen einen sehr guten Beitrag im Deutschlandfunk, kann ich empfehlen. Seit gestern nehme ich zwar viel Aufgeregtes zur Kenntnis, hier aber wird gut erklärt: