Frau Issinbajewa gelangte 2016 in Rio de Janeiro auf recht dubiose Weise ins IOC. Obgleich sie ihre Kandidatur zu spät abgegeben hatte, wurde sie für die Wahlen zur Athletenkommission zugelassen. Diese merkwürdigen Wahlen brachten das von wem auch immer gewünschte Resultat: Jelena Issinbajewa wurde ins IOC kooptiert, wie damals in Rio übrigens auch die China-Expertin, China-Verteidigerin, China-Liebhaberin und Lobbyistin Britta Heidemann ins IOC gelangte.
Heide-wer? Kennt die jemand? Im IOC ist sie bisher nicht aufgefallen, im DOSB-Präsidium, dem sie aufgrund ihrer IOC-Mitgliedschaft angehört, ebenfalls nicht. Aber dazu später mal mehr.
Issinbajewa kam also ins IOC, als sich die ganze Welt über das russische Staatsdoping und die manipulierten Winterspiele 2014 empörte. Sie und Heidemann lösten im IOC
Claudia Bokel ab, deren achtjähriges Mandat als Athletensprecherin ablief. Bokel hatte als eines der wenigen IOC-Mitglieder Widerstand zur Russland-Politik von Bach versucht. Sie wurde quasi ohne Dankeschön verabschiedet. Nachfolgerin von Bokel als Athletensprecherin wurde die Amerikanerin
Angela Ruggiero, die Russland-Kritiker unter Athletensprechern auf finsterste Weise attackierte. Ihr folgte
Simbabwes Sportministerin Kirsty Coventry, die im Grunde gegen Athleteninteressen arbeitete und in jeder Beziehung den Willen der IOC-Führung durchsetzte. Dafür wurde sie vor zwei Wochen auf der IOC-Session belohnt: Ihre Mitgliedschaft wird als
persönliche Mitgliedschaft weiter geführt - Coventry dürfte damit bis 2053 im IOC bleiben.
Liam Morgan berichtet nun auf
Insidethegames, dass Issinbajewa zum nächsten großen Schlag ausholt: Sie will Chefin der IOC-Athletenkommission werden, wo sie gegen die Finnin
Emma Terho um den Vorsitz kandidiert. Der Chefposten in der Kommission ist automatisch mit der Mitgliedschaft im IOC-Exekutivkomitee verbunden.
Darum geht es.
Das Land, das nicht bei den Spielen sein dürfte, das Land, das nicht Russland genannt werden soll, sondern Russisches Nationales Olympisches Komitee, das Land, das angeblich noch eine Weile keine Großereignisse ausrichten und angeblich so hart bestraft worden ist, das Land das mittlerweile drei Präsidenten von olympischen Weltverbänden hat (Fechten, Schießen, Boxen), darunter zwei Milliardäre, dieses Land hat vielleicht ganz schnell ein Mitglied der IOC-Regierung, Jelena Issinbajewa, eine homophobe Vertreterin des Staatsdopingsystems, die Whistleblower attackiert und verunglimpft. Ich beende die Aufzählung.
Willkommen in der olympischen Realität.
Ich wünsche Emma Terho für die Wahl am Freitag alles Gute. Würde mich aber eher wundern. Gemäß Liam Morgan hat Terho eine Chance.
Die Eishockeyspielerin Terho ist eine sehr zurückhaltende Zeitgenossin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich so verbiegen wird wie zuvor Ruggiero, aber vielleicht fehlt mir ein Stück vom Film. Sie ist vorsichtig, sie hört sich aber um und scheut nicht den Kontakt zu Andersdenkenden. Interessant war, dass sie gemeinsam mit
James Tomkins 2019 in Colorado Springs an der Konferenz
Play the Game teilgenommen hat, die unter dem Motto
“Athlete power on the rise” stand. Das erste Mal überhaupt hat das IOC quasi eine kleine Abordnung geschickt, nachdem
Play the Game, wo ich seit vielen Jahren ehrenamtlich als Mitglied der Programmkommission tätig bin, doch zwei Jahrzehnte auf der IOC-Blacklist stand.
Schon in wenigen Stunden werden wir schlauer sein.
Issinbajewa. Mein Gott.
Und wenn schon Athletenwahlen sind und am Sonntag neue Athletenvertreter ins IOC aufgenommen werden (alle Details dazu folgen noch, stay tuned), möchte ich dringend
nochmal an die Geschichte von 2018 erinnern, von den letzten Athletenwahlen und IOC-Mitgliedschaften:
Der IOC-Präsident bestimmt selbst einige Sportler, er sucht sogar Favoriten für eine IOC-Mitgliedschaft aus.
Während der irregulären Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi hat das IOC dem norwegischen Team
das Tragen von Trauerbändern verboten, was gemäß Olympischer Charta quasi als
politische Demonstration gewertet wurde. Der Bruder der Langläuferin
Astrid Uhrenholdt-Jacobsen war kurz vor den Spielen verstorben.
Vier Jahre später, bei den Winterspielen in PyeongChang, stellte sich Astrid Jacobsen der Wahl zur IOC-Athletenkommission. Sie bekam 808 Stimmen und wurde damit Dritte hinter der Finnin Emma Terho (1.045) und der Amerikanerin Kikkan Randall (831) – vor Hong Zhang (China/787), Armin Zöggeler (Italien/761) und Ander Mirambell (Spanien/664).
Am Schlusstag der Spiele nahm die IOC-Session satzungsgemäß Terho und Randall für acht Jahre als IOC-Mitglieder auf. Auf Vorschlag des IOC-Präsidenten Bach, wie es in derlei Fällen heißt, wurde zusätzlich die Chinesin Zhang ins IOC aufgenommen.
Eine Chinesin.
Nur die Vierte der sogenannten Athleten-Wahl. Nicht etwa Astrid Jacobsen, die Dritte. Inzwischen hat Bach Frau Zhang zur Chefin der IOC-Kommission für die Olympischen Jugendspiele 2024 gemacht –
das freut China. Schon wieder China - hatten wir doch gerade erst (nach oben scrollen).
Nun hoffe ich mal, das Revue nicht gleich wieder abstürzt und so viele Empfänger wie möglich von den zwanzig Trilliarden Abonnenten diesen Newsletter erhalten.
Bis später - bleiben Sie neugierig!