Wenn der Präsident zur besten Sendezeit aus dem Weißen Haus spricht, live auf allen Kanälen übertragen, dann gibt es in der Regel etwas Bedeutsames zu verkünden. Als es am 11. März wieder einmal so weit ist, geht es natürlich um Corona. Der Präsident schaut ernst in die Kamera, aber er hat positive Botschaften dabei.
Er wolle über die “beispiellose Reaktion” Amerikas sprechen, sagt er. Man sei viel weiter als Europa. Er werde “niemals zögern, die nötigen Schritte zu ergreifen, um das Leben, die Gesundheit und die Sicherheit des amerikanischen Volkes zu beschützen”. Und schließlich: “Wir werden letztlich dieses Virus rasch besiegen!”
Haben Sie ihn erkannt? Nach zehn Minuten ist Donald Trump fertig. Amerika startet in die Pandemie mit einem Auftritt, der verharmlost und verwirrt. Der Präsident liest nicht richtig ab und behauptet, auch US-Bürger dürften aus Europa in drei Tagen nicht mehr einreisen und auch für Handelswaren seien die Grenzen dicht. Muss per Tweet korrigiert werden. Die Rede zur Ausrufung der Pandemie am 11. März 2020 war ein Witz und durch das Versagen, das auf sie folgen sollte, eine Farce.
Genau 365 Tage und knapp 530.000 Covid-Todesopfer später hält sein Nachfolger erstmals eine Prime-Time-Rede an die Nation aus dem Weißen Haus. Auch Biden lobt kräftig seine eigene Politik, doch dort enden die Gemeinsamkeiten. Er trauert um die Toten, mahnt seine Bürger, jetzt nicht nachzulassen, aber vor allem will er Hoffnung vermitteln, ohne zu verharmlosen.
Das tut er mit zwei konkreten Zielen: Ab 1. Mai sollen alle erwachsenen Amerikaner für Impfungen zugelassen sein. Am 4. Juli, dem Nationalfeiertag, könne man beim traditionellen Barbecue schon in kleiner Runde wieder feiern, vielleicht ja die “Unabhängigkeit von diesem Virus”. Die Rede vom 11. März 2021 zeigt eine heikle Balance aus Hoffnung und Vorsicht.
So erlebe ich Amerika in diesen Tagen: zwischen Hoffnung und Sorge, mit großer Ungeduld und Vorsicht, in einem Wettlauf zwischen Impfen und Öffnen, zwischen Immunität und Mutationen.
365 Tage Pandemie also. Was für ein Jahr! Ich habe in diesen Tagen viel an die Zeit im März 2020 gedacht. An den Abschied von jener Normalität, die Biden jetzt wieder in Aussicht stellt: An den letzten Flug von L.A. nach Washington, den Blick auf die roten Canyons auf dem Weg. Und an den Abend, an dem die Basketballliga NBA die Saison unterbrach, einzelne Universitäten und der Broadway dichtmachten, und dann Trump seine seltsam vage Rede hielt.
An den letzten Besuch im Rosengarten des Weißen Hauses, als Trump am 13. März schließlich einen nationalen Notstand verkündete und ich mich dicht gedrängt an die Kollegen am eigentlich sichersten Ort der Welt mächtig unsicher fühlte.