Jedem Radikalismusschwärmer kann ich dank jüngster Foren-Forensik (“DANKE, TELEKOM!!11!”) empfehlen, “im Netz” die eigenen Befunde
hoch zu induzieren. Radikalismus stellt sich dann ein von ganz allein. Historische Einordnungen hinsichtlich der Zerstörungswut gen Staat, die in den Siebzigern das Gemeinwesen tatsächlich ins Wanken brachten, werden in der Blase herrlich ausgeblendet. Auch nüchterne Befunde spielen keine Rolle, wenn man unter sich bleibt. Dass das anständige Chemnitz jetzt
eine überfällige Öffentlichkeit erfährt, dass Politiker mehr Geld schicken wollen für Bildung und Projekte, dass der LKA-Pegidist nicht mehr Dienst tut beim LKA, dass der Haftbefehl-Blower sich gestellt hat wegen des
hohen Fahndungsdrucks. Man könnte sagen, der Rechtsstaat hätte durchgegriffen. Aber Framing funktioniert in viele Richtungen.
Er ist wieder da
Der radebrechte Unsinn der gutmeinenden Influencer soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es echte Probleme gibt im Osten und im Westen. Die allerdings nicht gelöst werden von schäumenden Republikaner, die die Pickelhaube aufsetzen, sondern
politisch, besser ganz ohne Schaum, und vielleicht mit Komik. In Amerika hat sich die
Linderung durch Comedy [Blendle] längst entwickelt zum Balsam auf einer Gesellschaft, die geschunden wird von Dummheit auf allerhöchster Ebene. Weil den Medien je nach politischer Stammeszugehörigkeit nicht mehr über den Weg getraut wird, macht die Komik den Medien inzwischen sogar den Aufklärungsauftrag streitig.
“Er ist wieder da” von Timur Vermes war 2014 ein komischer Sensationserfolg, den ich gar nicht komisch fand, und deshalb nie zu Ende gelesen habe. Erst am vergangenen Wochenende habe ich deshalb mit drei Jahren Verzögerung den Film gesehen. Und war begeistert. Nicht wegen des Stoffs, sondern wegen der langen
Mockumentary-Sequenzen, die Regisseur David Wnendt eingebaut hat. Da steht der Führer in Brandenburg in einer Kneipe, raunt ganz zusammenhangslos Heines “Denk ich an Deutschland in der Nacht”, und dem Publikum laufen die Tränen. Anschließend war dann ich um den Schlaf gebracht. So aufrüttelnd, beklemmend, und ja, offenbar zum Nachdenken zwingend, empfand mein radikalrepublikanisches Herz den Film.
Jetzt erscheint Timur Vermes’
neues Buch, das der Verlag so tumb in die Nachfolge des Vorgängers stellt, dass er aufs Cover sogar ein “Vom Autor von …” drucken lässt. Ich hoffe, der Inhalt ist eleganter als das Marketing. “Die Hungrigen und die Satten” verhohnepiepelt die Flüchtlingskrise. Dem Thema täten ein paar aufklärend-bittere Lacher weiß Gott gut.
Kabel calling
Vom Buchladen geht’s des Samstags ja traditionell in den Supermarkt. Der heutige musikalische Rausschmiss liefert dieser Routine den Soundtrack. 1979 besangen The Clash das desillusionierte Vorstadtleben, das im Umherirren im Supermarkt sinnfällig wird. Gut, dass es dagegen inzwischen Apps gibt.