Der kürzliche Tod meines Vaters hat mir zweierlei eingebracht: Eine Menge Schallplatten sowie eine Darmspiegelung samt fragwürdiger Auszeichnung durch meine Mutter (“Wenigstens Du bist vernünftig”). Und drittens, offensichtlich, brachte er mir einen gehörigen Disrespekt vor dem Tod ein. Oder vor vermeintlich Tod-angemessener Pietät, die ja meist nur sehr Tabu-angemessenes Totschweigen ist und nichts mit der Traurigkeit zu tun hat, die ist.
Platten also. Mein Vater hat mir mit den Platten auch so manche Erinnerung hinterlassen. Weil ich zum Beispiel nicht anders kann, als meine mitsingende Mutter zu sehen mit einer Zigarette in der einen und einem Glas in der anderen Hand, wenn ‘Moonlight Shadow’ von Mike Oldfield läuft.
Außerdem hat mir das Vinyl die ein oder andere Neuigkeit von meinem Vater erzählt, die ich bisher nicht kannte. Die Carpenters zum Beispiel sind so blanker, stolperfreier 70er-Jahre-Pop, von dem ich nie gedacht hätte, ihn zwischen Papas Rock-Platten zu finden. Aber wenn man dann doch reinhört in ‘Now & Then’ von den trällernden Geschwistern, dann hat man eines dieser Pop-Artefakte ausgegraben, die was zu erzählen haben.
Der Fakt nämlich, dass die Platte im Jahr 1973 an genau dem Tag erschien, an dem Karen und Richard Carpenter im Weißen Haus vor dem deutschen Kanzler Willy Brandt sangen, lässt noch fünf Jahrzehnte später erahnen, dass Richards Arrangements und Karens samtsäuselnde Stimme alles andere waren als rebellischer Zeitgeist. Das Album-Cover zeigt außerdem beide Carpenters, wie sie in Richards Ferrari “Daytona” am Familiensitz vorbeifahren. Das ist nicht Sinnsuche, das ist Längst-schon-gefunden-Haben.
Das reine Bild der Carpenters wird den Fans und dem Weißen Haus gefallen haben. Wie sehr das alles aber nur Fassade war, legte spätestens der jammervolle Tod von Karen offen. 1983, mit nur 32 Jahren, hatte sie sich zu Tode gehungert.
Die B-Seite des Albums fasst die Carpenters gut zusammen. Im ganzen Gefälligen waren sie das Auffällige. Als das Album produziert wurde, schwappte gerade eine Oldie-Welle durch die Popmusik. Anstatt die alte Mucke einfach nachzusingen, produzierten die Carpenters ein 18-Minuten-Medley in Form einer Radioshow, die die B-Seite komplett füllt. Und sie legten noch einen eigenen Song als braven Jägerzaun drumrum an. ‘Yesterday once more’ wurde ihr international erfolgreichster Hit.