Für Schulleiter:innen und die Bezirksregierung ist es ein Déjà vu: Wie in jedem Jahr sind auch diesmal viele Dutzend Widersprüche gegen Ablehnungsbescheide eingegangen. Das ist nicht nur das gute Recht eines Jeden, der einen Verwaltungsakt nicht einfach akzeptieren mag.
Die Sache läuft, ob mit ohne ohne anwaltliche Unterstützung, so ab: Zunächst prüft die Schule, ob sie einen Grund sieht, die Entscheidung zum Nicht-Aufnahme zu revidieren. Das ist in der Regel nicht der Fall - auch wenn sich durch Akteneinsicht in die Entscheidungsfindung bei der Platz-Verlosung immer mal wieder Ungereimtheiten entdecken lassen. Nun geht der Widerspruch weiter an die Bezirksregierung, die als Schulaufsichtsbehörde ihrerseits ebenfalls zu prüfen hat, ob sie einen Verfahrensfehler (an)erkennt. Ein abgelehnter Widerspruch bildet dann die notwendige Voraussetzung für eine anschließende Schulplatzklage. Diese wiederum läuft über das Verwaltungsgericht, und zwar regelmäßig im Eilverfahren. Schließlich ist es ja nicht mehr lange hin zum Start des nächsten Schuljahrs.
Die Bezirksregierung hat inzwischen mehrere Widersprüche erwidert und abgewiesen. Interessant ist dabei unter anderem eine Passage, die sich dem Thema Mehrfachanmeldungen widmet. Dahinter verbirgt sich eine Eigenart im Anmeldeverfahren für die weiterführenden Schulen, die unter Eltern in Köln seit einigen Jahren für besonders große Empörung sorgt - zu der sich die Stadt und die Bezirksregierung aber bisher erst selten so klar und eindeutig geäußert haben wie in diesem Jahr.
Zum Hintergrund: Um ein Kind bei einer weiterführenden Schule anzumelden, verteilen die Grundschulen mit dem Halbjahreszeugnis der vierten Klasse rechtzeitig im Herbst einen Anmeldeschein auf einem Durchschlagspapier. Geregelt ist dieses Vorgehen NRW-weit in der
Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I, kurz APO-S I, nebst dazugehöriger Verwaltungsvorschrift. Dort heißt es:
1.1.4 Die Anmeldung an einer Schule der gewünschten Schulform setzt die Vorlage des Halbjahreszeugnisses der Klasse 4 voraus. Der Schulträger sorgt dafür, dass jedes Kind nicht gleichzeitig an mehr als einer Schule angemeldet werden kann. Hierzu wird den Eltern jedes Kindes ein Anmeldeschein (Anlage 10) durch die Grundschule ausgehändigt, der bei der Anmeldung abzugeben ist.
Wer nun allerdings denkt, er müsse sein Kind mit dem Originalanmeldeschein an genau einer Schule anmelden, der irrt. Denn die Vorschrift ist offenbar nicht mehr als ein unverbindlicher Vorschlag des Landes, um Chaos zu verhindern. Der Schulträger, also die Stadt Köln, hat lediglich dafür zu sorgen, dass es im Ergebnis nicht zu (erfolgreichen) Mehrfachanmeldungen kommt, dass also schließlich jedes Kind genau einen Schulplatz erhält.
In der Praxis bedeutet das: Eltern können nach aktueller Lage ihre Kinder jederzeit - etwa mit Kopien des Anmeldescheins - an so vielen Schulen anmelden wie sie wollen. Erst wenn sie dann bei der Schulplatzvergabe mehrfach erfolgreich sind, müssen sie sich für einen der Plätze entscheiden. Erst in diesem Moment wird die Stadt tätig und ruft beispielsweise die Eltern an mit der Aufforderung, einen der Plätze auszusuchen und die übrigen freizugeben.
Es ist daher unter den gegebenen Bedingungen nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll, sich an ALLEN Schulen zu bewerben, die in der näheren Auswahl sind. Denn das erhöht die Chancen, im Verfahren einen bevorzugten Platz zu bekommen.
Weil dies alles bislang im Vorfeld nur wenigen Eltern bewusst war (und weil die offiziell daherkommenden Formulare und auch die Verfahrenserklärungen an den Schulen oft suggerieren, Anmeldungen seien nur mit Originalbogen gültig), haben mehrere Eltern im Widerspruchsverfahren diese wahrgenommene Ungerechtigkeit thematisiert. Dabei bestätigte die Bezirksregierung in einer Widerspruchs-Ablehnung, die den Abgelehnten vorliegt, dass die Schulen beim Auswahlverfahren auch Anmeldungen akzeptieren müssen, die nicht mit dem offiziellen Formular eingehen:
Die Ausgabe von Anmeldescheinen - vor allem in Großstädten - dient der Koordination der Anmeldungen, ist jedoch im Schulgesetz oder der Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I nicht als Grundlage für eine Anmeldung aufgenommen worden.
Anders gesagt: Sollte die Stadt dieses Verfahren nicht verändern, dann ist es für das kommende Jahr allen Eltern zu empfehlen, die Anmeldebögen als das anzusehen was sie sind: eine unverbindliche Koordinierungshilfe für die Stadt. Wer mehrere Schulen in Betracht zieht, sollte sein Kind an all diesen Schulen anmelden.
Seit Mai sind beim Kölner Verwaltungsgericht übrigens Schulplatzklagen im Eilverfahren anhängig; auch dieser Punkt steht dabei in Rede. Stand heute: Spätestens Ende Juni soll eine Entscheidung stehen.
Warten wir es ab.
3 Die Stadt schafft neue Schulplätze - aber wie viele eigentlich?
Zum Schuljahr 2022/2023 sollen aus diesem GU/TU-Paket 2.454 neue Schulplätze geschaffen und 5.496 Schulplätze erhalten und saniert werden.
Denn 2.454 Schulplätze - das entspräche nicht weniger als 20 komplett neuen vierzügigen Schulen. Und die wird es schlicht nicht geben. Inzwischen ist der Kölner Stadt-Anzeiger der Sache auf den Grund gegangen und hat nachgerechnet. Ergebnis: Es gibt im kommenden Schuljahr nach aktuellen Plänen stadtweit bloß 333 zusätzliche Plätze, verteilt auf Grundschulen, Gesamtschulen, Gymnasien und ausgebaute Oberstufen.
Die deutlich höhere Zahl stammt aus dem sogenannten “GU/TU-Paket”, das Zielvereinbarungen mit General- und Totalunternehmern enthält, die für die Stadt schnell neue Schulen bauen sollen - und es berechnet sämtliche Schulplätze mit ein, die an neu gebauten Schulen einmal verfügbar sein werden, wenn diese im Normalbetrieb sind. Das wird aber erst in fast zehn Jahren so weit sein. Und dann sich auch noch großzügig solche Schulplätze mit eingerechnet, die es längst gibt (etwa an den unlängst aufgestockten Gymnasien in Widdersdorf und Bilderstöckchen) - und für die sich die Stadt mit der großen Zahl gleich auch noch einmal feiern lässt.