Warum wenden sich Quellen mit Informationen oder Dokumenten an recherchierende Journalist:innen?
Manchmal sind es niedere Motive wie zum Beispiel Rache. Viel häufiger, so ist zumindest mein Eindruck, wollen Menschen aber einfach Missstände abstellen. Missstände, die sie tagtäglich auf der Arbeit beobachten. Sie haben das Gefühl, dass sich von innen heraus nichts verändert, dass womöglich noch viel mehr Menschen davon betroffen sind – und wollen dann die Situation verändern, in der sie, Freunde oder Verwandte leiden. Und sie wollen Arbeitgeber:innen oder Behörden zur Rechenschaft ziehen.
Für Journalist:innen ist das Drängen auf eine solche Veränderung, auf einen Impact, wie es im englischen knackig heißt, aber manchmal ein zweischneidiges Schwert.
Einerseits kann Impact eine schöne Bestätigung sein: Meine Berichterstattung hat offenbar einen Nerv getroffen und sie hat Bewegung in ein Problem gebracht. Zudem kann ich zukünftigen Quellen zeigen: Seht her, wenn Ihr Euch an mich wendet, besteht die Chance, dass sich auch etwas verändert. Es lohnt sich, mir zu schreiben!
Andererseits ist es meine Aufgabe als Journalist, sauber zu recherchieren und die recherchierten Fakten klar zu vermitteln, um der Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Setze ich mir jedoch von vornherein den Impact als Ziel, dann droht die Gefahr, dass ich mein Handeln darauf ausrichte. Dass ich Kampagnen fahre. Dass ich mit Politiker:innen oder NGOs an einem Strang ziehe. Dass ich Petitionen starte. Und dass ich Informationen weglasse, die nicht zu meiner spitzen, nach Impact schreienden These passen. Oder so stark vereinfache und überziehe, dass sich der Kern meiner Nachricht verfälscht. Dass ich weiter wegrutsche von der Wahrheit, um lauter zu sein und damit den Impact zu erzwingen.
Impact wird immer häufiger zu einer Zielgröße im Journalismus, gerade bei auf Recherche fokussierten Einheiten oder bei gemeinnützigen Plattformen wie meinem früheren Arbeitgeber Correctiv. Die Probleme, die damit einhergehen, werden seit Jahren kontrovers diskutiert (
hier ein aktuelles Beispiel).
Wie immer im Leben gibt es auch hier einen sehr breiten Graubereich und relativ wenig schwarz und weiß. Ich berichte zum Beispiel seit Jahren über die Themen „Arbeit und Krankheit“. Natürlich kenne ich dadurch mittlerweile viele Akteure und Probleme und gehe mit einigen Quellen längerfristige Arbeitsbeziehungen ein. Ich glaube auch nicht an die Objektivität von Reporter:innen, sondern nur an die Objektivität von Recherchemethoden (
hier habe ich mal länger darüber geschrieben). Deshalb mache ich mir aber umso stärker und immer wieder bewusst, was meine Rolle ist. Die Rolle, mit der ich am Ende in einer Demokratie den größten Impact haben kann: Als Beobachter Missstände aufdecken, um deren Beseitigung sich dann im Anschluss andere Kräfte kümmern können.
Niemandem ist geholfen, wenn am Ende alle nur noch für die Beseitigung der von ihnen persönlich empfundenen Missstände kämpfen, aber niemand mehr (möglichst) vorurteilsfrei und mit genügend Zeit die Recherche leistet, welche diese Missstände aufdecken kann.