Wahrheit und Lüge in der Politik – ein spannendes Thema, mit dem ich mich intensiv über die Weihnachtsfeiertage beschäftigt habe. Und nach der Lektüre nicht nur der zwei Essays von Hannah Arendt kann ich nochmal bestätigen:
Hannah Arendt sollte man gerade jetzt lesen. Ich beschäftige mich ja schon länger mit dem Thema Desinformation. Daher war es hochinteressant, etwas zum klassischen Lügen in der Politik zu lesen. Schließlich ist das Thema nicht nur aktuell, sondern auch präsenter, als wir vielleicht annehmen. Zwei von zahlreichen Erkenntnissen, die ich aus diesen Essays mitgenommen habe: Lügen galt immer als ein erlaubtes Mittel in der Politik. Irreführungen und blanke Lügen wurden schon immer zur Erreichung politischer Zwecke eingesetzt – Wahrhaftigkeit zählte niemals zu den politischen Tugenden. Und: Mit Ausnahme des Zoroastrismus ist die Lüge in keiner Weltreligion eine Todsünde. Vielleicht geht den Webseitenbetreibern deswegen das
“we value your privacy” in ihren Cookie-Bannern so leicht über die Tastatur. Na ja.
2020, das Pandemiejahr ist jetzt vorüber. Was 2021 wird – ich bin gespannt; denn vorüber ist die Pandemie nicht. Und auch wenn da die Hoffnung ist – schließlich ist der Impfstoff da! – es wird noch ziemlich lange so eingeschränkt weiter gehen. Verrückt oder, wie schnell es doch rumging. Gefühlt waren wir erst vorgestern im ersten Lockdown, voller Angst ob dieser riesigen Ungewissheit. Und erst gestern genossen wir den Sommer –mit Abstand, aber immerhin mit Licht und Wärme. Auch wenn mir auch das Unbehagen bereitet – wie schnell die Zeit voranschreitet – so macht es mir doch Hoffnung, dass der Frühling bald da ist, und wir wenigstens wieder rauskommen. Aber das Jahr hatte ja auch Gutes – man sollte sich, wenn möglich, immer auf so etwas fokussieren. Mir sind Freund:innen noch enger ans Herz gewachsen. Freundschaften sind intimer geworden. Und neue Freunde sind trotz aller Widrigkeiten hinzugekommen. Nur: ich will nicht mehr überlegen müssen, ob das Sehen meiner Freund:innen illegal ist oder mindestens unvernünftig. Ich will auch nicht mehr eigentlich niemanden sehen außer meine Supermarktkassiererin und ruckelige Videobilder von Menschen, mit denen ich lieber in einer verrauchten Bar mit einer Flasche Wein sitzen würde. Ich weiß auch wirklich nicht mehr, was ich kochen soll.
Ansonsten hatte ich die vergangenen zwei Wochen Urlaub und habe auch so richtig Urlaub gemacht. Also, wie man halt Urlaub in einer Pandemie macht. Ich bin die gesamten Feiertage zuhause geblieben und habe gelesen und gelesen. Daher hier ein paar Buchempfehlungen für Euch (und bevor Mama einen Schock bekommt – ich habe zwei(!) Romane gelesen. So viele habe ich noch nie innerhalb eines Jahres in den letzten 15 Jahren gelesen!):
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Wahrheit und Lüge in der Politik von Hannah Arendt – nicht die leichteste Lektüre, aber es lohnt!
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Die Kunst des Miteinander Redens von Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun – super viele Erkenntnisse zum Führen von Gesprächen –gerade auch schwierige. Und die Dialogform des Buches macht es sehr angenehm zum Lesen!
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Marianengraben von Jasmin Schreiber – habe selten auf den ersten(!) und letzten Seiten so viel geheult! Wirklich ein bewegendes Buch.
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Nachtfeuer von Eric Emmanuel-Schmidt – ich verschlang seine Romane über die Weltreligionen. In diesem autobiografischen Roman erzählt er, wie es zu dieser Thematik kam.
- Max Czolleks Gegenwartsbewältigung – ich habe schon Desintegriert Euch! gerne gelesen und empfohlen. Gibt einen wieder einen wichtigen anderen Blick auf die (weiße) deutsche Gesellschaft.
- Noch am überlegen, ob ich es weiterlese, ist Permanent Record von Edward Snowden. Ich kann den amerikanischen(?) Stil mit dem Lesenden zu sprechen nicht leiden und das macht es mir bisweilen echt schwer weiter zu lesen. Auch auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt habe ich wieder weggelegt. Gerade ist mir eher nach Impulsen für die Zukunft und nicht nach Blicken zurück.
Jetzt haben wir 2021, vermutlich geht bei vielen von Euch der Alltag ab Montag wieder los. Da wir immer noch im Lockdown sind, wird es zumindest für mich nicht groß unterschiedlich. Nur sitze ich wohl wieder häufiger an meinem Esstisch anstatt auf der Couch. Und während ich genau dort schon mal Probe sitze, um morgen endlich wieder meine Projekte angehen zu dürfen, fällt mir noch etwas von Hannah Arendt ein, an das ich seit dem Frühjahr, seit ich darauf stieß, denken muss: Initium ut esset, creatus est homo – ‘damit ein Anfang sei, wurde der Mensch geschaffen’, sagte schon Augustin, auf den sich Arendt bezieht. Durch Geburt haben wir, so Arendt, die Gabe anfangen zu können – immer wieder neu – um dann durch Handeln und Sprechen weltliche Realität zu schaffen. Macht ein bisschen Mut, so zum Beginn des Jahres 2021.
Alles beginnt.
Ann Cathrin
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P.S. Ich habe seit über einer Woche Alpträume von Hannah Arendts Theorien – nicht von ihr! Fragt nicht. Aber lesen daher auf eigene Gefahr!
P.P.S. Ja, ich bin von Social Media gerade abgemeldet. Die “Diskussionen” sind einfach unerträglich geworden. Ich muss mal durchatmen.
P.P.P.S. Ich freue mich immer sehr, wenn Ihr diesen Newsletter auf Social Media teilt oder ihn weiterleitet! Vielleicht kommen so ja noch ein paar Abonnent:innen hinzu!